Tagebuch

Wochenrückblick vom 27. Januar bis 02. Februar

The good life am Sonntag. Ausschlafen, lesen, frühstücken, lesen, Wäsche waschen, lesen — der Mann und ich machten uns einen faulen Lenz, und das nicht zu knapp. Als sich die frühen Abendstunden über den Tag senkten, wurde es jedoch unumgänglich, Kleidung anzulegen — für ein Familiendate beim örtlichen Vietnamesen hielten wir das zumindest für angemessen. Wir können damit auch nicht allzu falsch gelegen haben, denn wir verbrachten einen recht amüsanten Abend mit der Blutlinie des Mannes. Das Saigon floss so durch, die Schwägerin und ich bauten Luftschlösser (sie regelt die Finanzen unseres Lebenshofs, ich kümmere mich ums Körperliche), und anstatt noch Nachtisch hinterherzuschaufeln, nahmen wir das erste sich bietende Schlaffenster und verlegten den Verdauungsvorgang auf die jeweiligen Couchgarnituren. Dann Seriengegucke, Buchauslesung, Nachtschlaf; es hätte kaum ertragbarer sein können.

Abschied. Montag Nachmittag war die Hauselfe das letzte Mal hier, und sie hat die Gelegenheit genutzt, nochmal so richtig sauberzumachen sauer zu sein. Ich habe wirklich noch nie jemanden kennengelernt, der so gründlichen und anhaltenden Lamentierbedarf hat — und zwar über das Leben, über den Alltag und ganz besonders über die Anderen. Anderthalb Jahre lang war ich jeden Montag darum bemüht, schäumender Wut mit Liebe, Verständnis und einem offenen Ohr zu begegnen. Ich versichere Ihnen hiermit hoch und heilig, dass mir das auf keinen Fall fehlen wird (sie aber schon).

Kleinstgruppenvertretung. Dienstag vertrat ich eine meiner Yogakolleginnen in einer offenen Stunde, und durch irgendeine verrückte Fügung waren nur zwei Schülerinnen auf ihren Matten zugegen. Ich bin großer Fan solcher kleinen, sehr privaten Stunden, weil sie viel mehr Raum geben, individuell auf Fragen einzugehen, genau hinzuschauen und (falls gewünscht) Hands-on-Assists zu geben — also: Menschen statt Asanas zu unterrichten. Und so wurde aus der Yogastunde ein recht intensiver Workshop, der im Anschluss nach einem heißen Bad rief. Blöderweise habe ich erstens keine Badewanne — und zweitens habe ich es irgendwie geschafft, mein fahrradverunfalltes Knie wieder zu überlasten. Das sollte ich allerdings erst am nächsten Tag zu spüren bekommen.

Humpelstilzchen. Am Mittwoch Morgen wollte ich in der mir naturgegebenen Art (locker, flockig und beschwingt) die Stufen herab zum Auto traben, scheiterte aber an einem Muskelkater, der sich überaus gewaschen hatte. Das ist kein Wunder, da ich in den letzten Wochen selbst wenig kraftvoll geübt hatte — und wenn ich ehrlich bin, habe ich das brennende Gefühl in den Oberschenkeln mehr als genossen. Glücklicherweise war ich am frühen Abend mit Beginn der nächsten beiden Yogakurse wieder einigermaßen in der Lage, kontrolliert vom Stand in den Schneidersitz zu gelangen, ohne dabei laut „AU!“ rufen zu müssen. So kam ich durchaus glückselig durch zweikommafünf der drei Stunden Unterricht, nur um dann, bämm, besagtem Knie beim Versagen zufühlen zu müssen. Es war fast so, als wäre all die Heilung des letzten halben Jahres nie geschehen, und es mag sein, dass ich mich in diesem Moment am liebsten schmerz- und frustheulend auf den Boden geworfen und mit den Fäusten auf eben diesen eingetrommelt hätte. Aber well, Verantwortung für Neuyogierende und so, also: Durchatmen, sechszehn Seelen zurückführen in die Rückenlage, Savasana ansagen, OM singen und noch ein bisschen Anschlussliebe verteilen, bevor es ans Lecken der Wunde gehen konnte. Ging dann auch schon wieder, zumindest was den Frust angeht.

Schneeflöckchen, Weißröckchen. Kommen wir zum wahren Star der Woche. Es hat geschneit! IM RHEINLAND! So richtig! Es schneite erst mehrere Stunden und dann über Nacht, mit richtigen, dicken Flocken, die sogar liegen blieben und alles zuckerweiß malten. Es mag sein, dass meine jubelnde Begeisterung für Menschen außerhalb unserer schönen Talsenke nicht ganz nachvollziehbar ist, aber es glich schon einem kleinen Wunder. Einem Wunder, dem man in erster Linie aus dem Verkehrschaos heraus begegnete. An normalen Tagen hätte ich der Szenerie im Home Office gehuldigt — da aber ein wichtiger Termin auch meine körperliche Anwesenheit erforderte, genoss ich die Aussicht eine volle Stunde lang aus dem Stau heraus. Hätte ich noch fünfzehn Minuten draufgelegt, hätte ich auch laufen können, aber Knie. Nun ja.

Was ich an meinem jetzigen Job vermissen werde, ist unter anderem das wirklich wunderschöne Büro im Dachgeschoss eines alten Wohnhauses, das mir unbedingt auf die letzten Meter mit folgender Aussicht nochmal näher ans Herz wachsen musste:

Und wenn wir gerade dabei sind, darüber zu reden, wie schmerzhaft Abschiede werden können, auch wenn sie notwendig sind: Der Donnerstag hat mir das Herz gebrochen, denn Christian und ich haben das Ende unserer Zusammenarbeit an dem Projekt eingeläutet, das uns nach meinem Wechsel in eine Festanstellung noch einen kleinen Rest unserer geschätzten Bürokollegschaft bewahrt hatte. Christian hat das ganz wunderbar auf den Punkt gebracht:

Ich sags Ihnen: Wenn Sie mit jemandem so richtig gut zusammen arbeiten – so gegenseitig Sätze ergänzend und sich gegenseitig voller Freude zu Höchstleitungen treibend und gleichzeitig mit unfassbar viel gemeinsamem Spaß – dann nehmen Sie das nicht für selbstverständlich.

„Uns geht es gut / Vormittags mit Sylvia“ — hmbl.blog

Heuli, wirklich, from the bottom of my heart. Davon abgesehen sagt einem aber auch niemand, wie hard es einen hittet, Abschiedsmails an ganz normale Dienstleister zu schreiben, alle Projekte übergabefähig zu machen und die Babys loszulassen.

Pferdesalbe an Arnikaöl. Der Donnerstag Abend stand ganz im Zeichen der Wundenleckung und fand in Hinblick auf meine körperliche und seelische Verfassung ausschließlich in der Horizontalen statt. Am Freitag wurde ich dann schon wieder etwas übermütiger:

Es gab Pommes zu Mittag und Pommes zum Abend, und ich könnte schwören, dass das dem Knie von innen mindestens genauso gut geholfen hat, wie die Salbenwickel von außen.

Endspurt. Fragen Sie sich auch, wann meine Woche endlich ein Ende nimmt? Und sind Sie auch so erleichtert, dass wir es gleich geschafft haben?

Stamina. In der Yogaklasse heute früh haben wir uns den Themen Durchhaltevermögen (körperlich) und Widerstandskraft (geistig) gewidmet. Inspiriert von den Ereignissen dieser Woche ging es dabei keineswegs darum, möglichst lange durchzuhalten und die eigenen Grenzen zu überschreiten, sondern die Balance zu finden zwischen Kraft und Zufriedenheit. Wir haben unseren Ehrgeiz beleuchtet und unsere Schweinehunde gegrüßt, um uns am Ende schlicht darin zu üben, bewusste, gute Entscheidungen für uns selbst zu treffen.

Heute Nachmittag gab es noch ein schönes, langes Telefonat mit der mittlerweile hochschwangeren Freundin, ein großes Stück Himbeersahnetorte, eine Menge Haushaltsgedöns und das satte Gefühl, irgendetwas sehr, sehr richtig zu machen.