Serien & Filme,  Tagebuch

Facharztwechsel, Arbeit, Dokus auf Netflix

Schlecht geschlafen. Meine Herren, was können Nächte lang sein, wenn man Bauch- und Rückenweh hat, auf der Wetterseite des Sturmtiefs unter der Dachschräge liegt und partout nicht einschlafen kann. Eher so (1/10) für die Nacht vor dem ersten Arbeitstag, would not recommend.

Erster Arbeitstag. Diese herrliche Ruhe, wenn alle denken, man sei im Urlaub! Ich habe tatsächlich Dinge geschafft und Überstunden abgebaut, eine an und für sich unmögliche und daher ungemein befriedigende Kombination. Morgen nochmal.

Patientenakte angefordert. Nachdem die eine oder andere laxe Äußerung im Rahmen der letzten Schilddrüsenkontrolle nicht gerade förderlich für ein vertrauensvolles Patientin-Ärztinnenverhältnis war, beschloss ich nach vier treuen Jahren einen Facharztwechsel. Meiner Bitte um eine Kopie meiner Patientenakte kam man überraschend gelassen entgegen; ich kann sie am Freitag abholen. Sind Sie auch schon so gespannt, wie ich, ob sie a) tatsächlich bereit liegen und b) hinreichend vollständig sein wird?

Medienkonsum. In den letzten Wochen habe ich Ihnen ein paar Dokus unterschlagen, und zwar Amanda Knox, The Bleeding Edge und Three Wives, One Husband (alles auf Netflix):

Der Fall Amanda Knox ist damals komplett an mir vorbeigegangen, und ich frage mich, wie das passieren konnte. Selbst der Mann reagierte mit „Na klar, die mit ›den eiskalten Augen‹„, und in der Tat erfährt man in der Doku mehr darüber, was $randomPerson über Amanda, ihr Äußeres und ihr Verhalten dachte, als über die Tat an sich. Besonders erquickte mich Chefermittler Giuliano Mignini, der völlig klar hatte: Die junge Frau hat Sex, die muss also Dreck am stecken haben. Tatsächlich könnte man die 92 Minuten vor Wut durchschäumen, wenn es denn helfen würde. Gegen Journalisten, die — konfrontiert mit ihrer sensationslüsternen Falschberichterstattung — sinngemäß so etwas sagen wie: „Ja Mensch, wenn ich erst recherchieren würde, ob das, was ich schreibe, auch wirklich stimmt, dann wären die anderen ja vor mir mit ’ner Headline draußen!“, zum Beispiel. Unbedingt sehenswert.

The Bleeding Edge widmet sich der verbrannten Erde, die die Medizingerätebranche bei ihren Patienten hinterlässt. Nur, dass es sich bei der verbrannten Erde um Menschen, ihre zerstörten Körper und zerstörten Leben handelt, die der Innovation wegen von einem Industriezweig sehenden Auges geopfert werden. Je mehr solcher Dokumentationen ich sehe, desto klarer wird mir, wie dünn die Decke der Zivilisation und wie barbarisch gewinnmaximierendes Handeln wirklich ist. Ebenfalls unbedingt sehenswert.

Die Qualität von Three Wives, One Husband kann mit den beiden vorgenannten nicht mithalten — aber das ist bei dem vergleichsweise seichten Thema locker zu verkraften: Wir dürfen über ein Jahr lang an dem Leben polygamer Mormonen teilhaben. Vorab: Ich habe ein sehr entspanntes Verhältnis zu Lebensweisen, die sich von meiner unterscheiden — nur weil ich monogam lebe, halte ich das nicht für besser, realistischer oder anständiger, als polygame Liebe. Aber, und hier kommt der Punkt: Eigentlich geht es bei der Doku um Polygynie — hier hat lediglich der Mann das Recht, sich mehrere Frauen zu nehmen, und, noch konkreter, möglichst viele Kinder zu zeugen. Sinn des ganzen ist, immer mehr Schäfchen zu hüten zu haben und somit Gott-ähnlicher zu werden. So sehr ich die engelsgleiche Geduld der daran beteiligten Frauen bewundere und ihren Glauben respektiere: Eine Gesellschaft, die auf so einem Gefälle zwischen Mann und Frau(en) aufbaut, würde es in einer serokratie schomma nicht geben. Durchaus sehenswert.

Und, was mache ich nun mit dem angebrochenen Abend? Kochen, Yoga, The Affair, würd’ ich mal sagen. Und dann früh ins Bett und hoffen, dass das Sandmännchen heute fleißiger war.